Mittwoch, 5. September 2007

idem in klausur



Seit Montag hat Idem Klausur in Stuttgart. Knapp 20 Leute sitzen am Tisch. Das Treffen ist gut, dicht, es geht viel um grundsätzlichere Fragen, die gewöhnlich im Alltag untergehen. Fast ein Neubeginn, wie man's sich jede Woche wünschen würde aber nur selten hinbekommt, wenn 1000 Aufgaben gleichzeitig erledigt werden wollen. Reflektion des bisherigen Prozesses, Blick auf die vielen einzelnen Initiativen, die unter dem Idem-Dach 2006/2007 stattfanden, Gliederung in verschiedene Bereiche, um Schritt für Schritt alles wieder zusammen zu fügen; immer mit der Frage: Was ist Idem? Was macht Idem aus?

Im Verlauf des Treffens kommen interessante Punkte auf den Tisch, die nicht nur für Idem relevant sind. Was macht solch eine Organisation aus? Sind es die Workcamps? Sind es Tagungen? - Ja, auch, aber das machen andere ebenso. Also ist Idem doch was anderes. Ist es ein Club von Freunden, die sich gut kennen und Lust haben, was zu unternehmen? - Auch nicht, denn niemand würde sagen, dass hier im Raum seine besten Freunde dabei sind. Was ist Freundschaft? Hängen wir hier an Traditionen, an Arbeitsformen, die längst überholt sind? Was macht es aus, dass man zusammen arbeiten will? Was sind die Unterschiede zu klassischen Mitgliederorganisationen wie Greenpeace oder attac?

Es fallen Begriffe wie ›Erkenntnisarbeit‹, oder, angeregt durch eine Lektüre morgens, ›Erweiterung des Bewusstseins‹, ›Verbindung mit der Welt der Ideen‹. Erkenntnis und Bewusstsein entstehen durch die ganz praktische Arbeit z.B. in den Workcamps, durch die Reisen in ferne Länder und andere Kulturen. Verschiedene Bereiche von Idem bieten verschiedene Wege des Zugangs zu neuen Erkenntnissen. Nach und nach entsteht eine mind map. Im Zentrum ist die Eigeninitiative der Einzelnen. Drum herum Vision, Erkenntnis, globale Verantwortung und konkrete Aktivität. Ungeplant ergibt sich wieder einmal die liegende Acht, die alles in einen Fluss bringt.

Doch noch einmal: Auf was baut sich nun eine Organisation wie Idem? Die Themen sind nicht neu, allenfalls neu formuliert. Vielleicht ist es das Marketing, der neue Name? - Das hält den Rückfragen nicht lange stand, wäre an sich zu wenig. - Also doch die persönlichen Verbindungen? Ja, mit einer bestimmten Qualität. Denn dort, wo wirklich menschliche Begegnungen stattfinden, die auch gehalten werden können, wo Verständnis und Vertrauen entwickelt wird, entstehen tragfähige Formen der Zusammenarbeit, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Organisation. Die braucht es dennoch, denn sie bietet einen Boden, der unterstützt, durch den eine Verbindung geschaffen wird zu jenem Bereich der Gesellschaft, welcher - zumindest im aktuellen Stadium der Initiative - rechtliche Verbindlichkeiten, Budget, Finanzierung und bestimmte Formen des Autretens fordert. Aber die Organisation ist nicht der Ursprung und nicht das Ende der Begegnung und Zusammenarbeit.


Am Morgen höre ich im Radio ein Gespräch mit einer Therapeutin, die RAF-Mitglieder im Gefängnis begleitet hat. Sie spricht über die Organisationsform der RAF, bei der sich alles unter der Ideologie und dem durchzuführenden Plan unterordnete. Es gab keine Gefühle und keine Freundschaften. Ich höre das Gespräch vor dem Hintergrund unserer Gespräche in dieser Woche. - Wenn wir wirklich so weit sind, dass wir auf menschliche Begegnungen aufbauen und damit umgehen und arbeiten können, dann sind wir vielleicht einen Schritt weiter. Wenn Idem so etwas ermöglicht, dann muss es eine Organisation mit Relevanz für die Welt sein. So lange, wie sie nicht um ihrer selbst willen arbeitet, sondern Menschen innerhalb und ausserhalb von Idem die treibenden Kräfte sind.

(Foto von Dimitri Eisenmeier auf projekt.tagung)

1 Kommentar:

Valentin Vollmer hat gesagt…

sehr schöne Zusammenfassung!

www.anderzeit.com